Exportkontrolle für Impfstoffe: Kampf um Vakzine nicht weiter eskalieren

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Die EU-Kommission hat angekündigt, eine Genehmigungspflicht für den Export von Covid-19-Impfstoffen einzuführen.

Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses:

Schade, dass es so weit kommen musste. Noch letzte Woche hatten die Staats- und Regierungschefs den Covid-Impfstoff als öffentliches Gut bezeichnet, jetzt ist er zu einer heiß umkämpften Ware geworden. Wir sollten nicht vergessen, dass die Europäische Kommission bis vor wenigen Wochen im Rahmen einer WTO-Initiative andere Länder aufforderte, von Exportbeschränkungen abzusehen. Neben der moralischen gibt es auch eine starke wirtschaftliche Dimension: Eine aktuelle Studie der Research Foundation der Internationalen Handelskammer zeigt, dass die Weltwirtschaft Billionen von Dollar verlieren würde, wenn die Regierungen nicht sicherstellen, dass auch Entwicklungsländer Zugang zu COVID-19-Impfstoffen erhalten. Auch die fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben daher klare Gründe, sich global abzustimmen und die Produktion und Verteilung von Impfstoffen zu beschleunigen. Zumal der Kampf gegen COVID nur auf globaler Ebene zu gewinnen ist.

Die EU sollte künftig einen solidarischen Ansatz in ihren Verträgen mit den Impfstoffherstellern verankern und die Verträge öffentlich machen. Verfügbares Wissen sollte öffentlich gemacht werden, damit  die Produktion globaler steigt. Es muss außerdem offen diskutiert werden, ob das Handels-Übereinkommen TRIPS, das unter anderem Markenrechte und Patente regelt, ausreichend ist oder an die Pandemie-Umstände angepasst werden muss. Man könnte über einen verpflichtenden Technologietransfer im Falle einer solchen außergewöhnlichen Herausforderung nachdenken und grundsätzlich hinterfragen, ob wir die Produktion und den Verkauf von Impfstoffen nur privaten Organisationen überlassen sollten.”

Tiemo Wölken, gesundheitspolitischer Sprecher der Europa-SPD:

„Ab jetzt heißt es: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Die mangelnde Transparenz und die öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen den Impfstoffherstellern und der Europäischen Kommission haben ein Klima des Misstrauens geschaffen. Offenbar sieht die EU-Kommission keine andere Möglichkeit als diese Maßnahmen, um die Lieferungen sicherzustellen.

Aufgrund der fehlenden Transparenz bei den Verträgen ist es schwer zu beurteilen, welche anderen Optionen die EU-Kommission gehabt hätte. Es muss klar sein, welche vertraglichen Verpflichtungen die Unternehmen eingegangen sind und erfüllen müssen. Impfstoffe sind als ein globales öffentliches Gut, und nicht als Luxus anzusehen. Daher sollten Unternehmen nicht versuchen, Regierungen gegeneinander auszuspielen. Die EU muss mit gutem Beispiel vorangehen und verhindern, dass der Zugang zum Impfstoff einen Keil zwischen reiche und arme Länder treibt.

Wir sollten nicht vergessen, dass Exportbeschränkungen schwerwiegende politische und wirtschaftliche Folgen haben können. Einen Impfstoffhandelskrieg gilt es unbedingt zu vermeiden. Schließlich kommen wichtige Inhaltsstoffe für die Arzneimittelproduktion aus aller Welt. Zudem wird der Impfstoff global weiterentwickelt und an mögliche Mutationen angepasst, hierfür brauche wir die Hersteller. Wir riskieren mit Exportbeschränkungen auch, unsere Beziehungen zu Drittländern zu belasten, die ebenfalls auf die Versorgung durch diese Fabriken angewiesen sind.“