100 Jahre Betriebsverfassungsgesetz: Eine große Errungenschaft, die sich über viele Jahre bewährt hat. Jetzt geht es darum, die Beschäftigten zu Subjekten, zu Handelnden der Transformation zu machen. Conti, Tesla und Wirecard sind nur einige Namen, die aktuell klar machen, dass unsere Betriebsverfassung und das Mitbestimmungsrecht Reformbedarf aufweisen. Wir wollen Lücken schließen und Wirtschaftsdemokratie auf die Höhe der Zeit bringen.
Das Betriebsverfassungsgesetz wurde zuletzt vor knapp 20 Jahren neu gefasst. Seitdem ist viel passiert. Ob Globalisierung, Digitalisierung oder Strukturwandel: Viele Beschäftigte und Unternehmen stehen vor neuen Herausforderungen. Diese können nur mit mehr Wirtschaftsdemokratie gemeistert werden. Es muss allen klar werden: An einer starken Mitbestimmung führt kein Weg vorbei – zumindest dann, wenn man es ernst meint mit Guter Arbeit, Klimawende und Qualifizierung.
In der Betriebsverfassung geht es vor allem um die Ausweitung der mitbestimmungspflichtigen Themen: ob Home-Office, ob Standort- und Investitionsentscheidungen, ob Werkverträge: Der Betriebsrat braucht hier nicht nur Informations-, sondern Mitentscheidungsrechte.
Obwohl die Unternehmensmitbestimmung nachweislich mehr Produktivität und Innovation sichert, versuchen immer mehr Unternehmen, sie zu umgehen. Dieser Praxis muss ein Riegel vorgeschoben werden. Besonders der Fall Wirecard hat gezeigt, welche Folgen die zunehmende Mitbestimmungsflucht haben kann. Wir müssen zum einen solche Entwicklungen korrigieren, aber auch die Mitbestimmung im Aufsichtsrat in Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten nach dem Montanmodell, also zu voller Parität, ausbauen.
Die Arbeitswelt 4.0 bringt neue Arbeitsbereiche und -formen hervor. Umso wichtiger ist es daher, eine umfassende Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes zu sichern und auszubauen. Wir brauchen einen erweiterten Betriebs- und Arbeitnehmer*innenbegriff, der den neuen Alltag der Beschäftigten abbildet und Mitbestimmung für alle Beschäftigten sichert.
Niemand darf bei der Transformation der Arbeitswelt auf der Strecke bleiben. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das Beschäftigten in der Plattformökonomie unter bestimmten Voraussetzungen die Arbeitnehmer*inneneigenschaft und damit auch den Arbeitsschutz zuerkennt, ist dafür ein wichtiges Signal. Die soziale Absicherung darf den Crowd- und Clickworker*innen nicht länger im Schatten der Scheinselbstständigkeit verwehrt werden. Es darf keine prekäre Parallelarbeitswelt geben. Unser Ziel bleibt es daher, auch hier die Sozialversicherungspflicht zu verankern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat deshalb bereits Eckpunkte für faire Arbeit in der Plattformökonomie vorgelegt.
Die AfA begrüßt diesen wichtigen Vorstoß ebenso wie beispielsweise die Neuregelungen in der Fleischindustrie als Teile einer Strategie zum Abbau von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Wir wollen bei der Erarbeitung des Regierungsprogrammes der SPD für die Bundestagswahl das Thema „Arbeit“ als sozialdemokratischen Markenkern verankern.