Die EU-Kommission arbeitet an ihrem Konzept für ein klimaneutrales Europa. Eine wichtige Rolle spielt der Verkehr. Heute hat die EU-Kommission ihre lang erwartete Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität vorgestellt – mehr als 80 Initiativen sollen noch in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt werden.
Ismail Ertug, Vize-Vorsitzender der S&D-Fraktion und verkehrspolitischer Sprecher der Europa-SPD:
„Die europäischen SozialdemokratInnen begrüßen diese Strategie ausdrücklich. Der Wandel zu einem nachhaltigen Verkehr in Europa ist dringend notwendig. Wir werden die Vorhaben kritisch begleiten und – wo nötig – die Kommission zu mehr Ambitionen drängen. Denn leider hat die Strategie auch mehrere Schwachstellen. Am bedauerlichsten ist das fast komplette Fehlen der sozialen Dimension. Dabei ist entscheidend, wie wir Beschäftigte bei dieser tiefgreifenden Transformation mitnehmen können. Auch Arbeitsbedingungen in verschiedensten Transportbereichen, wie beim LKW-Transport oder bei der Bahn, müssen dringend verbessert werden. Europa muss ökologisch UND sozial nachhaltig werden.
Derzeit ist der Transport leider noch der einsame, traurige Klimaschutz-Verlierer: Denn noch immer ist der Verkehr für mehr als ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen in der EU verantwortlich. Und die Ausstöße sind in den letzten Jahren deutlich gewachsen: Im Jahr 2017 waren die Emissionen sogar um 28 Prozent höher als noch im Referenzjahr 1990. Alle anderen Sektoren haben im gleichen Zeitraum massiv an Emissionen eingespart, etwa die Industrie oder die Energieproduktion.
Richtig ist, dass die EU-Kommission zum Beispiel zeitnah die CO2-Standards für PKW und LKW überarbeiten möchte und gleichzeitig mit einer Richtlinie die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe in Europa verbessern will. Denn mehr Ladestationen sind unerlässlich für eine weitere Verbreitung von emissionsfreien Fahrzeugen. Die EU-Kommission möchte aber auch den Schiffs- und Flugverkehr klimafreundlicher gestalten, beispielweise sie beide in den Emissionshandel einbezieht beziehungsweise die freie Zuteilung der Zertifikate reduziert.
Richtig ist auch das Ziel der zweiten Säule der Strategie: intelligente oder smarte Mobilität soll mit Hilfe von Digitalisierung und Automatisierung die Verkehrsflüsse in Europa so effizient wie möglich gestalten. Das kann einerseits Emissionen vermindern, andererseits Blechlawinen reduzieren. Vor allem kann ein solcher Wandel mehr Platz für Wohnraum in den Städten schaffen, mehr Grünflächen, Spielplätze oder Fahrradwege. Wir SozialdemokratInnen achten dabei besonders auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, der dem Gemeinwohl zu Gute kommt, so er gut ausgebaut ist.
Die Strategie der EU-Kommission weist allerdings auch mehrere Schwachstellen und ist über weite Strecken zu wenig ehrgeizig. So möchte die Kommission bis 2030 mindestens 30 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge auf Europas Straßen haben. Diese Zahl ist zu konservativ, bedenkt man, dass Frankreich schon Ende dieses Jahres 1 Millionen dieser Fahrzeuge auf seinen Straßen haben möchte. Und Deutschland seine Zielmarke bis 2030 jüngst auf 15 Millionen nach oben korrigiert hat. Zwar will die Kommission den Gütertransport auf der Schiene bis 2050 verdoppeln – und das klingt zunächst positiv. Da sich aber im gleichen Zeitraum voraussichtlich das Transportvolumen verdoppeln wird, ist dieses Ziel nur eine Fortschreibung des Status Quo. Ein veraltetes EU-Ziel aus dem Jahr 2014, das die Kommission als Vision verkauft, ist, dass das Transeuropäische Netz bis 2050 fertiggestellt sein soll.“