Vertreter Ungarns und Polen haben beim heutigen Treffen der Europaminister das Finanzpaket zum Wiederaufbau der Wirtschaft in Folge der Corona-Pandemie erneut blockiert. Die Regierungen der Länder missbrauchen die notwendige Einstimmigkeit beim sogenannten Eigenmittelbeschluss, weil sie sich nicht an die Rechtstaatlichkeit, insbesondere bei der Verwendung von EU-Mitteln, binden lassen wollen. Die SPD-Fraktion im Bundestag erwartet ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Christian Petry, europapolitischer Sprecher:
„Bei der Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag muss Bundeskanzlerin Angela Merkel insbesondere den ungarischen Premierminister Orbán zur Rede stellen. Ich erwarte Druck aus den Reihen der Union. Orbáns Partei gehört immerhin der Europäischen Volkspartei an – ebenso wie CDU und CSU. Aber das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein. Mit Lucia Puttrich springt stattdessen ein Mitglied des CDU-Bundesvorstands lieber Viktor Orbán bei und äußert Sympathien für dessen Veto: man dürfe sich nicht rüde über Interessen eines Mitgliedstaats hinwegsetzen.
Wenn es gegenwärtig ein im Wortsinn existentielles Interesse unter den Mitgliedstaaten gibt, dann den europäischen Wiederaufbauplan. Wer sich in einer solchen Frage querstellt, spielt foul. Notfalls müssen Wege gefunden werden, die Blockade zu umgehen.
Vor dem Hintergrund der in Ungarn geplanten Verfassungsänderungen sträubt sich die Regierung Orbán gegen die Bindung an Rechtsstaatlichkeit. Mit einer diskriminierenden Verengung des Familienbegriffs, über Wahlrechtseingriffe, die der Opposition massiv schaden, bis hin zur erschwerten Korruptionsbekämpfung versucht Viktor Orbán, sein Machtkonzept der illiberalen Demokratie weiter zu verankern. Mit europäischen Werten und Rechtsstaatlichkeit hat das alles wenig zu tun.“