SPD-Chef legt mit Vorsitzendem von Polens Sozialdemokratie einen Kranz am Warschauer Denkmal der Helden des Ghettos nieder.
Eine Geste, die bis heute unvergessen ist: Vor 50 Jahren setzte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt mit seinem Kniefall in Warschau ein historisches Zeichen als Bitte um Vergebung für die Verbrechen der Nazis und für Versöhnung zwischen West und Ost. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans erinnert am (heutigen) Samstag in der polnischen Hauptstadt an den Mut Willy Brandts mitten im Kalten Krieg: „Er hat mit seiner Geste und mit seiner Haltung eine der wichtigsten Säulen für die europäische Verständigung und für die Stabilität des Friedens gebaut.” Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der polnischen Sozialdemokratie (SLD), Włodzimierz Czarzasty, legt er einen Kranz am „Denkmal der Helden des Ghettos“ nieder.
“Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein”, sagte Walter-Borjans – und verwies damit auch auf den Text der Schleife des Kranzes. Er betonte, Willy Brandt habe den Weg geebnet für die Aussöhnung unter Nachbarn, für die spätere Wiedervereinigung Deutschlands und für das Zusammenwachsen Europas. Czarzasty sagte: „Es gibt wichtige Anlässe, wo man an wichtige Momente der Geschichte erinnern muss.” Willy Brandt habe „durch seine Geste die Opfer gewürdigt, die jüdischen Opfer und auch die polnischen Opfer.” Beide betonten die gemeinsame Verantwortung für Europa und seine freiheitlichen Werte für die zukünftigen Generationen zu bewahren und zu stärken.
Zur selben Zeit – und bis Montag – wird im Zentrum der polnischen Hauptstadt ein digitales Riesenposter zu sehen sein. Das Motiv: Der Kniefall und das Versprechen „We will never forget“. 50 Jahre nach Brandts großer Geste ist es gleichzeitig die Mahnung, dass „Frieden und Zusammenhalt in Europa keine Selbstverständlichkeit sind“, wie es auch in einer Resolution heißt, die der SPD-Parteivorstand am Montag beraten wird. Wieder sei es Aufgabe von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, „gerade in dieser herausfordernden Zeit mutig für ein neues, europäisches Miteinander“ einzutreten. Für Solidarität unter den Mitgliedstaaten und für die europäischen Grundwerte.
Polen war das erste Opfer einer gewaltsamen deutschen Besatzungsherrschaft im Zweiten Weltkrieg. Und es war in der Folge zentraler Schauplatz der Shoa, der beispiellosen Verbrechen der Nazis an Menschen jüdischen Glaubens und anderer Verfolgter. Mit Willy Brandt kam am 7. Dezember 1970 ein einstiger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus nach Warschau, der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik. Vor dem Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto von 1943 kniete Brandt nieder, stumm, eine spontane Geste, wie er sich später erinnerte. Ein Bild, das um die Welt ging. „Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt“, schrieb er 1989 in seinen „Erinnerungen“.